Zweite Ankündigung und
Call for Papers
32. Jahrestagung der Gesellschaft für
Psychohistorie und Politische Psychologie |
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Gewalt und Trauma:
Direkte und transgenerationale Folgen
für Individuen,
Bindungen und Gesellschaft
– Kriegsenkel, Kinder
aus neuen Kriegen,
Betroffene familiärer
und institutioneller Gewalt –
Göttingen, 13. - 15. 4.
2018
Beginn: Freitag, 13.
4., 16:00 Uhr; Ende: Sonntag,
15. 4., 14:00 Uhr
Ort: Universität
Göttingen, Tagungszentrum am Wilhelmsplatz,
Adam-von-Trott-Saal,
Wilhelmsplatz 2
Zum Thema
Bei Kindern von
Kriegskindern des Zweiten Weltkriegs, auch "Kriegsenkel" genannt,
sind häufig bestimmte Belastungen zu finden, die sich teilweise auf eine transgenerationale
Vermittlung von Traumata aus der NS- und Kriegszeit zurückführen lassen. Dazu
gehören eine Rollenumkehr zwischen Eltern und Kindern und diffuse Gefühle der
Heimatlosigkeit, des Nicht-Angekommen- und Nicht-Angenommenseins, Bindungsprobleme
sowie fehlendes Selbstwertgefühl. Auf
einer Tagung mit dem Titel "Die Kinder der Kriegskinder", die wir
2012 in Göttingen organisiert hatten, standen diese Betroffenen mit ihren
Sekundär-Traumatisierungen ("Traumaschatten") im Fokus. Die neue
Tagung soll diese Thematik vertiefen und gleichzeitig verbreitern.
Vertiefung
·
Was passiert
genau beim Trauma, und wie sind die Langzeit-Folgen zu erklären? Welche
Auswirkungen haben solche Folgen nachweislich auf Bindungsfähigkeit, Selbstwertgefühl,
Sozialverhalten, berufliche Chancen, Suizidalität, Delinquenz, chronische Erkrankungen?
·
Die Bindungsforschung (J. Bowlby, M.
Ainsworth, K. & K. Grossmann u.a.) hat Anzeichen dafür gefunden, dass der
Grad der Responsivität der ersten Bezugspersonen eines Menschen im Säuglings-
und Kleinkindalter Auswirkungen auf die spätere Biografie und auf die inneren
Konzepte von Bindung haben kann, bis hin zu politischen Tendenzen und
Weltbildern (Ch. Hopf et al.). Andererseits hat beispielsweise die vom
Nationalsozialismus propagierte Art des Umgangs mit Kindern die Entstehung unsicherer
Bindungsmuster geradezu forciert (Sigrid Chamberlain). Traumata können zu
desorganisierten Bindungsmustern führen. Welche Rolle spielen unsichere und
desorganisierte Bindungsrepräsentationen bei heutigen Kriegskindern und
Kriegsenkeln, und wie lässt sich ihre unbewusste Weitergabe an die nächste
Generation verhindern?
·
Wie haben sich
die Folgen des Traumas der Kinder der Kriegskinder aus der ehemaligen DDR verschärft durch Retraumatisierungen und
Schweigegebote der SED-Diktatur? Wie wirken sich die spezifischen Verletzungen
dieser "Generation Mauer" (Ines Geipel) aus auf die heutige
Situation in den "neuen Bundesländern"?
·
Das
Eingeschlossensein durch die "seelischen Trümmer" (B. Alberti) aus
der Familiengeschichte, die früh trainierte fürsorgliche Haltung
gegenüber den eigenen Eltern und der "unbewusste Verzicht auf ein eigenes
Leben" (A. Bachhofen) zehren die Kinder der Kriegskinder aus. Lässt sich
ein Bezug zum "Erschöpfungssyndrom" vieler Kriegsenkel nachweisen?
Ist auch die vielfach empfundene, von der Medizin bisher aber als erblich
bedingt eingestufte "Hypersensibilität" eine Folge des Sekundär-Traumas?
·
Welche
politischen Auswirkungen hat es, wenn die Energien eines großen Teils einer
ganzen Generation praktisch von den psychisch beeinträchtigten Eltern aufgesogen
werden (was aber in der Regel nicht nach außen dringt)? Liegt hier eine Ursache
dafür, dass es VertreterInnen der Kriegsenkel-Generation auf der politischen
Ebene wenig gibt – und dass, wenn doch einmal jemand es auf eine höhere
Position schafft, er/sie dort oft schnell und grandios scheitert (F.
Schirrmacher: "Der Sturz der Babyboomer"), wie etwa die Beispiele
Christian Wulff, Stefan Mappus (ehem. Ministerpräsident BaWü) oder Susanne
Gaschke (ehem. OB Kiel) belegen? Waren und sind die Kriegsenkel aus psychischer
Ausgelaugtheit und fehlendem Biss im Endeffekt willfährige Helfer der immer
noch tonangebenden Älteren, die diese Schwäche schamlos ausbeuten? Haben sie
deswegen sowohl dem Neoliberalismus als auch dem Rechtspopulismus nichts
entgegenzusetzen vermocht? Ein politischer Totalausfall? Anders ausgedrückt:
Haben die nicht aufgearbeiteten Familiengeschichten zur heutigen Entgrenzung
des Fremdenhasses und zur Wiederkehr menschenverachtend-nationalistischer Haltungen
beigetragen?
Verbreiterung
·
Welche
Traumatisierungen haben die heutigen Flüchtlinge, die Schutz und eine Lebensperspektive
in Europa suchen, erlitten, und wie können wir – auf der Grundlage unserer
eigenen historischen Erfahrungen – ihnen mit Unterstützung und Anteilnahme
begegnen? Wie gehen wir mit eigenen Widerständen und Ängsten um, wenn die
Begegnung mit den akut Traumatisierten Verdrängtes aus der eigenen Familiengeschichte
wieder hochkommen lässt?
·
Seit 2010 hat
der "Missbrauchsskandal", die weit verbreitete Ausübung sexualisierter
Gewalt an Kindern und Jugendlichen in Familien und Bildungseinrichtungen, immer
wieder für Schlagzeilen gesorgt. Warum sprechen viele Betroffene erst jetzt, wo
doch die Taten z.T. schon Jahrzehnte zurückliegen? Besteht ein Zusammenhang
zur gleichzeitig stattgefundenen Bewusstwerdung der Trauma-Geschichte der
Kinder der Kriegskinder? Ist die sexuelle Ausbeutung der Jüngeren einfach die
extreme Form der einseitigen Inanspruchnahme von deren Lebensenergie durch
psychisch früh blockierte Ältere – eine kranke Konstellation, die in vielen
Familien mit Trauma-Vergangenheit vorhanden ist?
·
Wir wollen all
dies aus einer allgemeineren, psychohistorischen Perspektive zu begreifen
versuchen: Wie entwickeln sich Mentalitäten, Welt- und Menschenbilder? Wie
prägt die "Gefühlsgeschichte" (Heike Schmitz) unserer Eltern und
Großeltern unser eigenes Befinden und Urteilen? Wie wirken abgespaltene
Trauma-Schatten aus der Kindheit in uns weiter und verleiten uns zu irrationalem
Agieren, auch auf der politischen Ebene – ein Agieren des "Fremden in
uns" (Arno Gruen)?
Dabei legen wir Wert darauf,
beim Thema der transgenerationalen Trauma-Folgen vorschnelle Relativierungen
zu vermeiden. Vor allem möchten wir die Betroffenen und ihr Erleben und Leiden
wirklich ernst nehmen. Psychohistorische Forschung sollte unseres Erachtens
Empathie beinhalten, auf der Seite der Opfer stehen und sich nicht über sie erheben.
Die
Tagung wird daher sowohl wissenschaftliche als auch unmittelbar erfahrungsbezogene
und autobiografische Beiträge in einem gemeinsamen Rahmen zusammenbringen. Sie
wendet sich an eine breite Öffentlichkeit. Es sollen sich ergänzende
Sichtweisen aus verschiedenen Fachdisziplinen vorgestellt und diskutiert
werden.
Vorträge
Es
wird dazu aufgerufen, Themen für Vorträge zu den oben genannten Tagungsschwerpunkten
einzureichen. Als Dauer sind in der Regel 30 Min. Vortrag + 15 Min. Diskussionszeit
vorgesehen. Bitte senden Sie zusätzlich zum Titel Ihres geplanten Vortrags auch
einen Abstract und eine persönliche Kurzbiografie (je 3-5 Sätze) ein.
Einreichung
bitte elektronisch oder postalisch an:
Heike
Knoch und Winfried Kurth, Herzberger Landstr. 85, 37085 Göttingen
wk@informatik.uni-goettingen.de
Frist
für die Einreichung: 1. November 2017.
Es
wird die Möglichkeit bestehen, die Beiträge anschließend im "Jahrbuch für
psychohistorische Forschung" (Mattes Verlag, Heidelberg) zu
publizieren.
Eine
Anerkennung der Tagung als Fortbildungsveranstaltung wird beantragt.
Programm
Das
Tagungsprogramm wird Anfang Dezember 2017 bekanntgegeben.
Tagungsgebühr
bei
früher Anmeldung (bis 28. 2. 2018): 60,- Euro (GPPP-Mitglieder 50,- , ermäßigt* 25,-)
späte Anm. und Tageskasse:
70,- Euro (Mitglieder 60,- , ermäßigt*
30,-)
Halbtagsgebühr: 20,- Euro (ermäßigt*
10,-)
* =
Ermäßigung für Arbeitslose, Auszubildende, Studierende, SchülerInnen und
Menschen mit geringem Einkommen (unter 800 Euro / Monat).
Das Tagungskonto wird erst Anfang Dezember geöffnet.
Bis dahin bitten wir von Einzahlungen abzusehen.
Informationen
Nachfragen bitte an Heike
Knoch und Winfried Kurth (Adresse siehe oben).
Stand: 7.
6. 2017.