TYPEN VON PFLANZENMODELLEN

1. Statistische (empirische) Modelle

Beispiele:
sigmoide Wachstumsfunktionen
Allometrien (Regressionen, die auf Potenzgesetze führen)
forstliche Ertragstafeln
multiple Regressionen für Transpiration, Assimilation etc. abhängig von PAR, T, [CO2] etc.

Vorteile: leicht handhabbar, wenige Parameter, einfache Modellstruktur, in der Praxis oft gute Genauigkeit in spezifischen Situationen.

Nachteile: Übertragbarkeit auf veränderte Situationen (für die keine Kalibrierungsdaten vorliegen) oft nur eingeschränkt oder gar nicht möglich; Kausalitäten sind durch Korrelationen ersetzt, Prozessverständnis wird nicht gefördert, Struktur-Funktions-Beziehungen werden meist nicht abgebildet.

 

2. Prozessorientierte Modelle

Beispiele:
Photosynthesemodell von Farquhar (1980),
Kompartiment- und Massenflussmodelle der Waldökosystemforschung (z.B. TREEDYN, Bossel)

Rückgriff auf Gesetze aus fundierten Theorien (Physik, Chemie), Berücksichtigung von Kausalbeziehungen.

(Jede Theorie beruht ebenfalls auf empirischen Daten; der Unterschied zu den empirischen Modellen ist graduell und bestimmt sich nach der Allgemeinheit der verwendeten Gesetze.)

Oft Vernachlässigung der Morphologie der Pflanze zugunsten einer rein funktionalen Betrachtungsweise (z.B. big leaf - Modelle, turbid medium - Ansatz für die Phytoelemente im Kronenraum).

Vorteile: Wissen über Kausalbeziehungen wird im Modell repräsentiert (und integriert), Prozessverständnis kann gefördert werden, Extrapolation eher möglich als bei rein empirischen Modellen (größerer Grad an Allgemeinheit).

Nachteile: oft viele Parameter, diese sind oft schwer zu erheben, Beliebigkeit des Ergebnisses (fehlende Validierungsmöglichkeit) bei zu vielen frei wählbaren Parametern, Aufwand der Modellentwicklung und -validierung oft erheblich.
Struktur-Funktions-Beziehungen werden oft nicht abgebildet, fehlende Verbindung zur Morphologie und Genetik. Die (evolutive) Geschichtlichkeit der Pflanze wird vernachlässigt.
In der Praxis oft mangelnde Genauigkeit durch Vernachlässigung zu vieler Kausalfaktoren.

3. Strukturmodelle (morphologische Modelle)

Wiedergabe der dreidimensionalen Struktur von Pflanzen

Anwendungen: Computergrafik, Agronomie, Landschaftsplanung

Beispiele:
AMAP (CIRAD, Montpellier), L-System-basierte Modelle (cpfg, GROGRA), fraktale Modelle

Zugrundegelegt werden (bei den fortgeschrittenen Ansätzen) meist stochastische (empirische) Modelle der Meristem-Aktivität. Pflanze als modulare Lebensform, Produktion neuer Module als (evtl. stochastischer) Ersetzungsprozess (L-Systeme: Codierung der Ersetzung von Organen durch die Ersetzung von Zeichen).

Vorteile: unmittelbare visuelle Bewertung der Simulationsergebnisse möglich, Verbindung zur Morphologie, Wichtigkeit der 3D-Gestalt für viele Prozesse (z.B. Strahlungsinterzeption).

Nachteile: kausale Grundlagen (Prozesse) werden vernachlässigt; Aufwand bei der morphologischen Datenerhebung (digitizing). Modellstruktur komplex (aber durch L-Systeme kompakt darstellbar).

4. Struktur-Funktions-Modelle

neuester (gegenwärtig expandierender) Ansatz:
Prozesse spielen sich in jedem Strukturelement (Modul, Organ) ab. Implementation durch Verknüpfung von prozeduralen (prozess-beschreibenden) und objektorientierten bzw. regelbasierten (strukturbeschreibenden) Konstrukten.

Beispiele: ALMIS (Eschenbach), AMAPpara (de Reffye et al.), LIGNUM (Sievänen et al.), ECOPHYS (Rauscher et al.), MADEIRA (List), TRAGIC++ (Hauhs et al.).

Vorteile: "realitätsnaher" Modellaufbau; Abschätzung der funktionalen Signifikanz struktureller Merkmale wird möglich; Darstellung von Physiologie und Morphologie im selben Modell (hoher Integrationsgrad).

Nachteile: erheblicher Aufwand bei der Modellimplementation; es existiert (noch) keine zugeschnittene Metasprache für Struktur-Funktions-Modelle von Pflanzen, welche "Computer-Laien" die Manipulation des Modells ermöglicht (Ansätze in diese Richtung: objektorientierte Sprachen; erweiterte L-Systeme).
Oft großer Aufwand bei der Parametrisierung.

 

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Last modification: May 9, 2001