2. Physikalisch-biologisch-psychologische Grundlagen: Licht, Sehen, Farbe

Bilder dienen auch in der Computergrafik der Kommunikation von und zum Menschen Þ wir sollten das menschliche visuelle System kennen, um den Informationstransfer optimal zu gestalten.

Menschliches visuelles System (Augen + Gehirn!) = entscheidendes Glied in der Kette der Bilderzeugung.
Merke: Am Monitorausgang ist nicht das Ende des Informationsflusses.

Licht

physikalisch: elektromagnetische Strahlung
charakterisiert durch Frequenz
n bzw. Wellenlänge l .

n × l = c = Lichtgeschwindigkeit im Vakuum » 2,9979× 108 m/s.

Wellenlängenbereich des sichtbaren Lichts: ca. 380-780 nm
(Nanometer = milliardstel Meter),
entspr. Frequenzbereich um 1015 Hz (Hertz, Schwingungen pro Sekunde).

(aus Krömker 2001)

Weitere Eigenschaften: Lichtstärke, Phase, ggf. Schwingungsebene (Polarisation).

3 Teilgebiete der Optik:

In der CG genügt meistens die Strahlenoptik.
Ausnahmen: Arbeiten mit polarisiertem oder kohärentem Licht (Laser); Interferenzerscheinungen. Dort ist der Wellencharakter wesentlich.

Licht aufgebaut aus

Einheitliche Beschreibung (formal, unanschaulich) erst in der Quantentheorie möglich.

Radiometrie und Photometrie

Radiometrie: Physikalische Beschreibung.
Elektromagnetische Energie, z.B. Betrag der Lichtenergie je Wellenlänge

Photometrie: psychophysikalische Messung der visuellen "Energie", die vom elektromagnetischen Reiz erzeugt wird.

(aus Krömker 2001)

Das visuelle System

Das menschliche Auge     (Abb. aus Schumann & Müller 2000)

Iris: Blendenmechanismus
Teil des Adaptationsmechanismus, 2-8 mm Öffnung
optisch abbildende Elemente: Hornhaut, Kammerwasser, Linse, Glaskörper
Linse: Akkomodation (Scharfeinstellung),
Brennweite: fern f = 17 mm, nah f = 14 mm.
Netzhaut (Retina): Rezeptoren (Wahrnehmungszellen), Nervengeflecht und Sehnerv.
Mittlerer Bereich der Netzhaut: "gelber Fleck" (macula lutea), ca. 1,5-2 mm Durchmesser, 5° Winkeldurchmesser.
Im Zentrum: Netzhautgrube, ca. 0,2 mm Durchmesser bzw. 1,5° Winkeldurchmesser = Bereich des schärfsten Sehens (dort 80 % der Sehschärfe).
Blinder Fleck: Austrittsort des Sehnervs.

(aus Schumann & Müller 2000, Krömker 2001).

Nervenbahnen:
innerhalb der Netzhaut bereits erste Verschaltungen
Sehnerv: ca. 1 Million Ganglienzellen
Kreuzung der beiden Sehnerven (chiasma optica)
Weiterleitung über mehrere Zwischenstationen zum primären visuellen Cortex (im hinteren Teil des Großhirns, beidseitig)

Aufbau der Netzhaut:

2 Grundtypen von Fotorezeptorzellen

(aus Schumann & Müller 2000)

Duplizitätstheorie des Sehens: 2 komplementäre Sehsysteme.

3 Zapfen-Subtypen:
L für Rot-Sehen, M für Grün-Sehen, S für Blau-Sehen.

(aus Krömker 2001)

Helligkeit:
keine absolute Wahrnehmungsgröße
abhängig von:
Reizstärke (Leuchtdichte)
Reizstärke zuvor (Adaptation!)
Leuchtdichte in der Umgebung

die beiden mittleren Quadrate haben dieselbe Graustufe

(aus Krömker 2001)

Hell-Dunkel-Unterschied:
sehr wichtige Empfindungsgröße fürs Formensehen, Objektsehen...
Unterschied sollte groß genug sein, für kleine Details mindestens 3:1 (besser 10:1), vgl. ISO 9241, part 3, fürs Lesen von Text.

Kontrast: verschiedene Definitionen üblich. Starke individuelle Unterschiede bei Helligkeits-Unterschiedsschwelle (Schwellenkontrast).
Effekte der Signalverarbeitung im Nervensystem beim Sehen von Helligkeitsunterschieden:
z.B. Mach-Bänder

(Krömker 2001)

Im Bild ist die (physikalische) Helligkeit linear interpoliert, keine "Strahlen" vorhanden! Die "Strahlen" erscheinen dort, wo die 1. Ableitung eine unstetige Änderung aufweist.
Effekt (in frühen Verarbeitungsschritten in der Netzhaut verursacht) ist Basis für Kanten- und Konturerkennung!

weiterer Effekt: Kontrastverstärkung. Differenzen werden umso stärker wahrgenommen, je näher sie an der Hintergrundhelligkeit liegen.

(aus Krömker 2001)

Wenn d und r in Metern angegeben werden, dann wird der Kehrwert der Brennweite, 1/f, in Dioptrien (dpt) gemessen.
1/f = 1/d + 1/r

Tiefenschärfe:

(Krömker 2001).

 

Erkennung kleiner Details:
Begrenzt durch

Visueller Stress:

Großflächige sich wiederholende Blitze oder Streifenmuster und Flickerraten von 20 Hz lösen bei fast allen Betrachtern visuellen Stress aus, bis hin zu krampfartigen Anfällen (nach Krömker 2001)
Þ bei Multimedia-Anwendungen zu vermeiden

Aliasing:
Streifenmuster und Treppenstufen durch Rasterung, wirken sehr störend (visuelles System reagiert hier empfindlich)
Þ Abhilfe: bei Streifen Anpassung der Streifenabstände an Pixelgröße; bei Linien Ausgleich durch Graustufen (Anti-Aliasing) (wir kommen darauf zurück)

(aus Krömker 2001)

Ein typisches CRT- oder auch LCD-Display hat nur ca. 72 dpi (dots per inch, typographische Auflösungs-Maßeinheit):
Þ Probleme mit feinen Strukturen, die Struktur der Pixel kann zusätzliche Probleme erzeugen.

Formwahrnehmung

Grundlegende Arbeiten zur Organisation der menschlichen Wahrnehmung: Gestaltpsychologie (frühes 20. Jh., bes. Wertheimer)

Beispiele:

der Dalmatiner (aus Schumann & Müller 2000, nach Thurston 1986) - keine Konturlinie vorgegeben, diese konstruiert das visuelle System!

Figur-Grund-Trennung:

Gestaltprinzipien (Einsatz bei Visualisierungsaufgaben sinnvoll):

Gestaltprinzip der Nähe
Nahes wird als zusammengehörig empfunden:

Gestaltprinzip der Ähnlichkeit
Gleiches oder fast gleiches wird als zusammengehörig empfunden. Farbe gruppiert dabei stärker als Form:

Gestaltprinzip der stetigen Fortsetzung
Unter mehreren Möglichkeiten, Musterelemente in eine Gestalt einzuordnen, wird die einfachere und regelmäßigere bevorzugt. In diesem Fall werden zwei sich kreuzende Kurven wahrgenommen, nicht zwei sich berührende Halbkreise:

Gestaltprinzip der Konvexität
Konvexe Formen werden bevorzugt geschlossen. Hier wird automatisch ein schwarzer Kreis wahrgenommen:

Kontextabhängigkeit der Formwahrnehmung:

der zweite Buchstabe wird im ersten Wort als "H", im zweiten als "A" erkannt, obwohl in beiden Fällen identische Stimuli vorliegen

3D-Formwahrnehmung (Tiefenwahrnehmung) aus Schattierung:
Kreise werden als kugelförmige Vertiefungen wahrgenommen (Schattierung entspricht hier den üblichen Verhältnissen bei einer Beleuchtung von oben):

Die gleichen Kreise, gedreht, werden als kugelförmige Erhebungen wahrgenommen:

Tiefenwahrnehmung: komplexe Informationsverarbeitung im visuellen System, wo u.a. eine Rolle spielen:
binokulare Disparität, Bewegungsfaktoren, lineare Perspektive, Farbe, atmosphärische Perspektive, Texturgradienten, Elevation, Orientierung, Schattierung, Schattenwurf, Verdeckung, relative Größe
Þ siehe Stereoskopie

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Letzte Änderungen: 15. Oktober 2001.